MYTHOS SUPER FOOD – ERNÄHRUNGSEXPERTIN BARBARA A. SCHMID IM GESPRÄCH

Barbara A. Schmid ist Diätologin mit Schwerpunkt Ernährungspsychologie. Sie ist bekannt aus Radio und Fernsehen als Expertin für Ernährungsfragen und Autorin zahlreicher Artikel. In ihrer Praxis “ISS-DICH-FREI” unterstützt sie Menschen mit besonderen Ernährungsanforderungen. Mit uns hat sie über ihr Buch SUPERFOOD – NATÜRLICH, HEIMISCH, SAISONAL gesprochen und uns ein einfaches Fischrezept zum Nachkochen gezeigt.

Sie haben ein Buch über Superfood geschrieben, eigentlich ein paradoxer Titel, denn Sie stehen dem aktuellen Superfood-Boom kritisch gegenüber.
Die Frage ist grundsätzlich, nach welchen Kriterien werden Lebensmittel bewertet. Superfood wird mit einem Inhaltsstoff in Verbindung gebracht, der eine besonders gesundheitsfördernde Wirkung verspricht. Wenn man sich aber zum Beispiel das neue Trendprodukt Chia-Samen genauer anschaut, muss man auch sehen, wie das Produkt durch diese enorme Nachfrage aus Europa inzwischen hergestellt werden muss.

Wir erleben hier eigentlich die gleiche Problematik, wie bei einer Massenproduktion von T-Shirts. Abgesehen von der enormen Umweltbelastung, die der Import mit sich zieht, ist die Produktion nur mit einer Intensivlandwirtschaft möglich, die ohne die massive Verwendung von Pestiziden gar nicht funktionieren kann. Zweifellos liefern Samen gesundheitsfördernde Nährstoffe, sie nehmen jedoch auch viele Gifte, wie Cadmium, aus dem Boden auf. Wie alles im Leben hat also auch der Chia-Samen eine zweite, nicht so günstige Seite.

Gibt es vergleichbare klimaneutrale Produkte?
Chia-Samen gehört wie Lein- und Hanfsamen zu den Ölsaaten und hat somit vergleichbare Inhaltsstoffe wie unsere heimischen regionalen Samen.

Die Produktion von Chia-Samen kann man
mit der Herstellung von Billig-T-Shirts vergleichen.

Diätologin Barbara A. Schmid

Warum funktioniert der Mythos Superfood bei uns so gut?
Der deutschsprachige Europäer ist sehr offen für neue Foodtrends. Exotisches Superfood funktioniert in Frankreich nur in einem sehr geringem Ausmaß. Das Ernährungsverhalten von Franzosen oder von Italienern ist mehr von Traditionen und vom Konsum ”bekannter” Lebensmittel geprägt und daher weniger durch Trends beeinflussbar. Die Ernährungsidentität, die mit den persönlichen Wurzeln, auch mit den örtlichen Wurzeln und mit der Erziehung wächst, sollte in der persönlichen Entwicklung eines gesunden Ernährungsverhaltens eine stabile Säule darstellen. Die österreichische Küche bietet mit der Wiener Küche, die überwiegend ihre Wurzeln in der Kochtradition der k. u. k. Monarchie Österreich-Ungarn hat, eine sehr facettenreiche Küche, die sehr gut an moderne Ernährungsanforderungen angepasst werden könnte.

Wie kann das umgesetzt werden?
Wichtig ist, das eigene Ernährungs- und Gesundheitsziel oder die –ziele zu kennen. Geht es um die Behandlung einer Erkrankung oder um Vorbeugung? Ist der Körper durch Sport, Schwangerschaft etc. besonders gefordert und hat er daher einen ganz besonderen Nährstoffbedarf?
Im zweiten Schritt ist es dann wichtig, mit Hilfe einer Ernährungsanalyse die Ist- und Soll Ernährungssituation zu beurteilen und dann entsprechende individuelle Anpassungen vorzunehmen. DiätologInnen sind hier kompetente AnsprechpartnerInnen.

Und wenn ich mich einfach nur gesund und vernünftig ernähren möchte?
Zusammengefasst: Es ist der Mahlzeit-Rhythmus, die Zusammensetzung einer Mahlzeit, die Vielfalt, die Herkunft, die Regionalität und die eigene Zubereitung. Wenn man versucht, sich auf diesen Säulen einzupendeln, dann kann von einer gesundheitsfördernden Ernährung sprechen. Wenn man regionale und frische Lebensmittel kauft, vermeidet man Konservierungsstoffe, wenn man biologisch kauft, hat man keine Pestizide und weniger Umweltkontaminanten.Mit der Vielfalt hat man eine Ausgewogenheit. Auch hier: Kein Lebensmittel kann für sich und getrennt von anderen Lebensmitteln alle erforderlichen Nährstoffe abdecken.

Das ist nicht immer leicht umsetzbar.
Es gilt, für sich selbst Ausschlusskriterien zu finden, abzuwiegen und nicht extrem zu werden. Konventionelle, also nicht biologische, Lebensmittel müssen nicht unbedingt schlechter sein. Es macht auch Sinn, einen Salat aus der Region zu kaufen, der vielleicht nicht bio ist, der aber weniger CO2 durch den kurzen Transportweg hat. Ein Weg könnte sein: Hausverstand einsetzen, bei Fragen weniger Internet, mehr die Empfehlung ausgebildeter Ernährungsfachkräfte in Anspruch nehmen. Und mehr Gelassenheit.

SUPERFOOD – NATÜRLICH, HEIMISCH, REGIONAL
Barbara A. Schmid | Aaron Waltl
Styria Verlag, ISBN 978-3-85431-739-5


Sie haben uns ein Fischrezept mitgebracht, worauf sollte man beim Kauf von Fisch achten?
Grundsätzlich achtet man auf Regionalität, das heißt dem österreichischen Fisch ist Vorzug zu geben. Was nicht heißt, nie wieder Lachs zu essen. Beim Lachs kann man einen Biolachs kaufen, der hat auf alle Fälle weniger Umweltkontaminanten Beim Fisch sind die zwei wichtigen Kriterien die Herkunft und die Bedingungen der Aufzucht. Die Häufigkeit des Konsums von Meeresfischen sollte man auch im Hinblick darauf ausrichten, dass die Meere totgefischt werden.


Eine bekannte Ernährungsempfehlung lautet, man solle zweimal pro Woche Fisch essen. Ist das noch aktuell?
Diese Frage braucht viele Unterfragen. Sprechen wir von einem heimischen Fisch oder von einem Meeresfisch? Beim Meeresfisch muss man die Problematik der Umweltkontaminanten, des Mikroplastiks mitbesprechen. Da müsste man eher sagen, man soll nicht öfter als zweimal pro Woche Meeresfisch essen. Die zweite Unterfrage wäre, ist es ein biologisch gezüchteter Fisch oder ein Flussfisch? Und die dritte Unterfrage wäre, sprechen wir von einem fettarmen oder von einem fettreichen Fisch?
Wie unterscheiden sich die Nährstoffe von einem fetten Fisch und einem fettarmen Fisch?
Der Eiweißgehalt ist gleich, der Fettgehalt ist ein anderer, dadurch ist der
Vitamin D-Gehalt ein anderer, der Omega-3 -Fettsäurengehalt ist ein anderer. Das heißt, es ist der fette Fisch, wie der Lachs oder der Thunfisch oder der Saibling, der eine Omega-3-Fettsäurenquelle ist, es ist nicht der Dorsch oder der Zander.

Gibt es eine pflanzliche Alternative zum Fisch?
Nur bedingt, weil der Körper nur ganz wenig von diesen pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren, die sich zum Beispiel in Leinsamen-, Raps-, Hanf- und Walnussöl befinden, in diese schützenden tierischen Omega-3-Fettsäuren umbauen kann.
Die pflanzliche Quelle ist eine Ergänzung, aber kein Ersatz.
Die Zubereitung von Fisch macht vielen Kopfzerbrechen, sie wissen nicht genau, wie man welchen Fisch zubereitet. Oder sie stören sich am Fischbratgeruch in der Wohnung.
Es gibt verschiedene Kochtechniken, die es einem erleichtern, einen Fisch im Ganzen zuzubereiten. Entweder man verwendet eine Dampfgarer oder man verwendet die Technik des selbstgemachten Dampfgarers. Der Fisch wird mit Gemüse in Alufolie eingepackt, er gart im eigenen Sud und bleibt saftig.

Rezept
Saiblingsfilet in Papilotte

4 Saiblingsfilet
2 Zitronen
1 Bund Dille
250g Stangesellerie
2 Stück gelbe Rüben
12 Stück grüne Oliven
Salz & Pfeffer
Für 4 Personen

  • Stangensellerie und gelbe Rüben in ½ cm dicke Stücke schneiden. Gemüse unter Dampf bissfest kochen und gut abtropfen lassen.
  • Backrohr auf 200° vorheizen. Saibling auf der Arbeitsfläche auflegen und mit Salz, Pfeffer und dem Saft von
    1 Zitrone würzen.
  • Aus Alufolie 30 x 30 cm große Stücke schneiden. Auf jedes Stück Alufolie 1 Saiblingsfilet, Gemüse und Oliven geben. Mit Dille bestreuen. Folie zuerst der Länge nach über die Fischstücke zusammenfalten, damit ein Hohlraum entsteht, dann die Seiten einschlagen.
  • Fischpapilotte auf das Backblech setzen und im Rohr 20 Minuten garen. Papilotte auf Teller setzen, Alufolie aufmachen und nach unten falten (man isst aus der Folie). Dazu serviert man Gemüsebeilage nach Wahl, z.B. Röstgemüse France.


Barbara A. Schmid Iss-Dich-frei
Ordinationszeiten nach Vereinbarung
www.iss-dich-frei.at

REGIONAL ESSEN – DAS Kochbuch für heimische Produkte
Barbara A. Schmid | Aaron Waltl
Kneipp Verlag Wien, ISBN 978-3-7088-0718-8