Melanie Stiebner ist in der Nähszene mit ihrem Näh-Blog “The Flying Needle” bekannt. 2019 übernahm sie von ihrem Vater die Geschäftsführung des renommierten Stiebner Verlags. Wir haben sie im Jänner 2019 im Wiener Werkbuchcafé getroffen und haben ihr ein paar Fragen gestellt.
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Frau Stiebner, was kam zuerst, die Nähbücher oder das Nähen?
Ich habe mit dem Nähen begonnen, weil ich überlegt habe, in den Verlag einzusteigen. Ich wollte eigentlich nie selbständig sein, ich habe Verlagswirtschaft studiert, habe aber nach dem Studium gesagt: “Ich will jetzt erstmal etwas anderes machen.” Mein Vater hat mich dann in regelmäßigen Abständen – wenn ich an der Schwelle zu einem neuen Job war – gefragt, ob ich nicht in den Verlag kommen will. Letztes Jahr meinte er dann: “Ich will jetzt mit 70 aufhören. Wenn du nicht kommen willst, dann kommst du nicht, aber ich muss es halt wissen.” Sie haben zu dem Zeitpunkt im Controlling bei ProSieben gearbeitet.
Was hat den Ausschlag gegeben, die Konzernkarriere aufzugeben und in den Verlag einzusteigen?
Ich bin ja mit dem Verlag aufgewachsen und war schon als Kind in der Druckerei und bei meinem Opa in seinem Büro mit den riesigen Bibliothekswänden. Das alles hat mich immer schon wahnsinnig fasziniert. Der Gedanke, dass mein Vater den Verlag verkauft und das nicht mehr Teil unserer Familiengeschichte ist, fand ich total schade. Und obwohl die Arbeit sehr anspruchsvoll ist, habe ich es noch keinen Tag bereut.
Zu diesem Zeitpunkt gab es schon den Blog “The Flying Needle”.
Als ich mit dem Nähen angefangen habe, habe ich ganz viele englische Blogs gelesen und fand das ganz spannend. Und ich wollte mehr Kontakt mit Gleichgesinnten haben, weil ich keine Freundinnen hatte, die nähten. Im März 2017 habe ich dann den Blog gestartet. “The Flying Needle” wird es auch weiterhin geben, es gibt da natürlich eine Verbandelung mit dem Verlag, und ich gehe auch offen damit um, aber der Blog, das bin nach wie vor ich als Person.
Der Stiebner Verlag war lange Zeit bekannt für Sport, Grafikdesign, Kunst und Kultur. Wann hat Stiebner begonnen DIY-Büchern zu verlegen?
Das muss so Anfang 2000 gewesen sein. Mein Vater kam von der London Book Fair und hat mir ein Buch mit Mode-Illustrationen gezeigt und ich habe gedacht: “Wer kauft denn so was?” Aber er hat es gemacht und es hat fantastisch funktioniert. Stiebner hat dann mit Mode- und Fashiondesign-Büchern begonnen, die sich eigentlich an Studenten und Professoren richten. Später kamen dann Handarbeitsbücher, auch für den Hobbybereich, dazu – aber alle auf einem relativ hohen Niveau.
Nach und nach ist der Verlag immer mehr in den Handarbeitsbereich gegangen, es kamen die Rock- und Oberteil-Grundschnitte, das Buch “Mode- Illustrationen” und das Overlock-Buch dazu, die sich alle nach wie vor sehr gut verkaufen. Später, als ich schon mit dem Nähen begonnen hatte, aber noch nicht dort gearbeitet habe, hat mich mein Vater auch ab und an mal gefragt, und es wurden dann auch Titel gemacht, die zwar immer noch auf einem hohen Level, aber zugänglicher für den Hobby-Näher sind. Den Titel “Schöner Nähen mit Profitechniken” zum Beispiel kann man hernehmen, wenn man in dem Bereich arbeitet, aber auch, wenn man ambitioniert hobbymäßig unterwegs ist.
Man könnte zusammengefasst sagen, der Stiebner Verlag steht für Handarbeitsbücher auf einem höheren Level.
Ja, wir sind ein Verlag, der ein bisschen was aus der Reihe macht, und der Bücher macht, die einen gewissen Anspruch haben, mit denen sich aber jemand, der Nähen, Stricken oder Sticken als Hobby ausübt, auch weiterentwickeln kann. Im aktuellen Programm von Stiebner gibt es auch Titel wie “Punch Needle” und “Weben mit kleinem Rahmen”. Mit der Aufnahme von diesen neuen Techniken brechen wir mit diesem Prinzip des fortgeschrittenen Könnens, und wir versuchen auch ein bisschen breiter zu werden. Diese Titel sind zwar Einsteiger-Bücher, aber sie sind so aufgebaut, dass man sukzessive schwierigere Projekte machen kann.
Welche Bücher aus dem Stiebner-Verlag erwarten uns im kommenden Jahr?
Wir geben so an die 40 Titel im Jahr raus und sind gerade am Bauen für das Herbstprogramm. Mit Sicherheit werden wir Nähen als Schwerpunkt beibehalten, ich würde gerne in diese hochwertige Richtung weitergehen. Wir werden auch versuchen, mit ein paar deutschen Autoren zu arbeiten, wo man dann entsprechend dazu Workshops anbieten kann. Das Herbstprogramm wird sehr stricklastig sein, das bietet sich auch an, weil die Leute im Herbst anfangen, mit der Wolle zu arbeiten. Und wir werden auch weiter versuchen, Nebengeschichten, wie etwa Sticken, zu machen.
Bleibt noch Zeit zum Nähen?
Über Weihnachten habe ich meinen ersten Mantel genäht. Ich finde, das sind tolle Sachen, um komplett abzuschalten. Momentan nähe ich auch Babyklamotten für den Sohn meiner Schwester und ich habe für meinen Mann eine Hose genäht. Und gerade nähe ich für meine Mutter das Brautmutterkleid für die Hochzeit meiner Schwester. Sonst versuche ich, die Sachen bei mir zu behalten, ich finde es wahnsinnig nervtötend, soviel Zeit da reinzustecken und es dann herzugeben.
Das ist einfach schade.
Über den Stiebner Verlag
1998 Gründung der Stiebner Verlags GmbH durch Dr. Jörg D. Stiebner.
Das Verlagsprogramm des Stiebner Verlags umfasst Bücher zu den Themen Graphik/Design, Mode, Karikaturen, Bavarica und Kunst (STIEBNER) sowie Sportbücher (COPRESS SPORT). Der Stiebner Verlag bringt Europas führende Monatszeitschrift zum Thema Grafikdesign heraus. Novum – World of Graphic Design erreicht eine monatliche Verbreitung von mehr als 9000 Exemplaren.
Melanie Stiebner ist seit 1. August 2018 Marketing- und Vertriebsleiterin der
Verlage Stiebner und Copress.
www.stiebner.de
https://theflyingneedle.de